Die Cytoplasmatisch Männliche Sterilität
und
CMS aus Helianthus petiolaris bei der Sonnenblume

Das Phänomen der männlichen Sterilität (MS) wird als Unfähigkeit einer Pflanze, fertile Pollen zu produzieren beschrieben. Es stellt für die Hybridzüchtung ein besonders nützliches Instrument dar, da Selbstung durch Pollensterilität verhindert wird, wodurch sich auf einfache Weise reines Hybridsaatgut unter Nutzung des Heterosis-Effektes herstellen läßt. Männliche Sterilität läßt sich bei einigen inter- und intraspezifischen Kreuzungen beobachten (HANSON und CONDE, 1985). Pollensterilität ist bei bestimmten Pflanzen durch Anwendung verschiedener Gametozide Gibberellinsäure , Mitomycin und anderer chemischer Substanzen induzierbar. (LIU SIN YIE, 1981; JAN und RUTGER, 1988) Auch interspezifische Hybridisierungen über 'Embryo Rescue' Techniken (KRÄUTER et al., 1991) lassen neue Sterilitätsquellen erwarten. Prinzipiell sind zwei genetische Systeme der männlichen Sterilität verfügbar: die genische männliche Sterilität (GMS), bedingt durch Kerngene, und die cytoplasmatisch-genische männliche Sterilität (CMS), welche durch Inkompatibilität von Kerngenom und extrachromosomalen Faktoren im Cytoplasma verursacht wird.
GMS zeigt einen monogenisch rezessiven Erbgang und wird durch Kreuzung mit heterozygot fertilen Vätern erhalten, wobei sich die Nachkommen zu 50% in sterile und fertile Pflanzen aufspalten. Bei der Sonnenblume,wie auch bei anderen Pflanzen, lassen sich die fertilen Pflanzen mittels Kopplung an ein Marker-Gen, welches die Anthocyanproduktion reguliert, erkennen und bei der Vereinzelung eliminieren (LECLERCQ, 1966). Dieses Problem der schwierigen Handhabe taucht in CMS-Systemen nicht auf, da das Ergebnis der Kreuzungen zwischen CMS-Müttern und männlich fertilen Erhalter-Linien ('Maintainern') nur aus männlich sterilen Pflanzen besteht. Untersuchungen bei Mais, Sorghum und Raps (LEAVER, 1989) zeigen, dass CMS rein maternal mit den Mitochondrien vererbt wird. Wenn eine Pflanzewie die Sonnenblume für die Körnernutzung angebaut werden soll, so muss ein System zur Wiederherstellung der männlichen Fertilität verfügbar sein. Sogennannte Rf-Gene (Fertilität restaurierende Gene), die im Kern lokalisiert sind und durch Einkreuzung die Fertilität wiederherstellen, wurden in einigen Pflanzen entdeckt (LEVINGS III, 1990). Die begrenzte Nutzung der CMS liegt zum einen daran, dass CMS nicht für alle Pflanzenarten bekannt ist, andererseits ist oft nur eine CMS-Plasmaquelle verwendbar. Dies kann zu genetischer Uniformität führen und erhöht damit die Gefahr von Krankheits-Epidemien. Die Notwendigkeit der Erschlieáung weiterer CMS-Quellen wird hierdurch deutlich und führt in der Sonnenblumen-Züchtung dazu, daá bei der Entwicklung moderner Linien neue Plasmen eingesetzt werden (FRIEDT et al., 1990; CROUZILLAT et al., 1991).
Das bisher in der Sonnenblumen-Hybridzüchtung fast ausschliesslich genutzte CMS-System beruht auf dem Transfer des Genoms von Helianthus annuus (2n=34) in das Plasma von Helianthus petiolaris (2n=34), dessen Cytoplasma 1969 von LECLERCQ als CMS-Quelle identifiziert wurde. Nach wiederholter Rückkreuzung und Selektion kann eine nahezu vollständige männliche Sterilität erreicht werden. Diese CMS Quelle wird nach SERIEYS (1986) als 'CMS-F' bezeichnet. An den vegetativen Pflanzenorganen der Nachkommen sind phänotypisch keine Deformationen festzustellen. Auch die weibliche Fertilität bleibt erhalten, während die Antheren verkürzt sind, nicht aus der Corolla ragen und keine Pollen produzieren. Elektronenmikroskopische Untersuchungen von HORNER (1977) zeigten, daá das Tapetum-Gewebe und die Mikrosporen-Tetraden nach dem Meiosestadium II degenerieren (KAUL, 1988). Eine weitere interspezifische Kreuzung zwischen Helianthus petiolaris und Helianthus annuus der Linie 'Saturn' führte ebenfalls zur Pollensterilität. Die Meiose verlief normal bis zur Bildung der Pollen, welche verkümmerten. Obwohl diese, in Kanada entdeckte 'CMS2' (WHELAN, 1980;  KAUL, 1988). Obwohl diese, in Canada entdeckte 'CMS2' auch von Helianthus petiolaris stammt, lieá sich die männliche Fertilität mit Restaurerlinien nicht wiederherstellen (KAUL, 1988).
Um die Ursache der CMS der Sonnenblume zu ermitteln, wurden mit den Cytoplasmen isogener Paare RFLP-Analysen durchgeführt, welche für die plastidäre DNA keine Unterschiede zwischen Chloroplasten von Maintainer- und CMS- Linien ergaben (BROWN et al., 1986). Auch doppelsträngige RNA, die bei Vicia faba (LEFEBVRE et al., 1990) mit CMS assoziiert ist, war für Sonnenblumenlinien kein Unterscheidungsmerkmal. BROWN et al. (1986) entdeckte in fertilen CM400-Linien plasmid-ähnliche DNA- Formen von geringem Molekulargewicht ('LMW-DNA1,45 kb'), die im mtGenom des cmsCM400-Cytoplasmas nicht gefunden werden konnten. An den Plasmiden lassen sich zwar Ökotypen von Helianthus petiolaris wie das Fallax-Cytoplasma: es weist dagegen wieder zusätzliche LMW-Moleküle auf unterscheiden (PEREZ et al., 1986), mit der cytoplasmatischen Pollensterilität scheinen jedoch diese Nucleinsäuren nach CROUZILLAT et al. (1987) nicht zu korrelieren.
In Untersuchungen der mtDNA isogener steriler und fertiler Linien von HA89 fanden SICULELLA und PALMER (1988) sowie RECIPON (1989)  aufgrund von Restriktionskartierungen und Hybridisierungs-Experimenten eine rekombinierte Region. Dieser umgelagerte Bereich von 17 kbp liegt im 3'-Bereich des atpA Genes. Transkriptanalysen des atpA Genes zeigten für fertile und pollensterile Linien ein verändertes Transkriptmuster.
KÖHLER et al. (1991) lokalisierten über Hybridisierungen mit heterologen Sonden von Oenothera einen Leserahmen, welcher mit der männlichen Sterilität assoziiert ist. Dieser wurde im 3'-Bereich des atpA und cob Genes gefunden. Für coxI, coxII, coxIII, atp6, 18S rRNA, 5S rRNA und ndh5 konnten keine Restriktionsfragment-Längenpolymorphismen (RFLP's) festgestellt werden.
 
Abbildung: Lage der auf dem mtGenom fertiler Sonnenblumen identifizierten Gene. Die Gesamtlänge beträgt mit ca. 300 kbp im Gegensatz zu den sterilen mit 305 kbp (SICULELLA und PALMER, 1988). Die mit 'RS' bezeichneten Blöcke stehen für 'direkt wiederholte' Sequenzen, welche für die homologe Rekombination und die dreigliedrige Struktur ('Tripartite Structure') des Genoms verantwortlich sind.

Auch im CMS-T Cytoplasma des Mais erzeugten mehrere Rekombinationsereignisse eine Neuanordnung des mtGenomes. Dadurch entstand ein chimäres Gen, welches für ein membrangebundenes 13 kDa Polypeptid codiert (DEWEY et al., 1986, 1987). Dieses Polypeptid konnte als Ursache der Sensitivität gegenüber dem Toxin des Pilzes Bipolaris (früher: Helminthosporium) maydis der Rasse T identifiziert werden. Das Toxin, welches als Entkoppler der oxidativen Phosphorylierung wirkt, führt vermutlich zum Anschwellen der Mitochondrien und zum massiven Verlust kleinerer Moleküle, wie Ca2+ und NAD+ (BRAUN et al., 1989).
In mehreren Fällen scheinen Gene, welche für die ATPase codieren, am Phänomen CMS beteiligt zu sein, beispielsweise atp6 als Promoter im 5'-Bereich des 'T-urf13' in CMS-T Mais (LEVINGS III, 1990), atp6 im 'Ogura'-Cytoplasma von Rettich (MAKAROFF et al., 1990) oder atp9 im Pcf-Gen von Petunia (NIVISON und HANSON, 1989). Die Tatsache, dass einige Proteine, die in die Mechanismen verwickelt sind, die zur CMS führen, in nahem Verhältnis zur ATP-Synthese stehen, legt die Vermutung nahe, dass eine Fehlfunktion durch Energiemangel während der Pollenbildung CMS induziert (BELHASSEN, 1989) Obwohl die meisten der bei der ATP-Synthese beteiligten Proteine im Kern codiert sind, liegt die Ursache für diese Unterschiede wahrscheinlich in der Ungleichheit der mitochondrialen Genome. Für die Phosphorylierung durch die ATP-Synthase an der Innenmembran der Mitochondrien ist (Die Redoxenergie, die während des Wasserstoff- bzw. Elektronentransfers auf die Komplexe NADH-Dehydrogenase, Succinat-Dehydrogenase, die Cytochrome b und c1, Cytochrom-c-Oxidase und Sauerstoff stufenweise verfügbar wird, baut einen Spannungsgradienten quer zur Innenmembran auf. Während der Übertragung freigesetzte Energie wird dazu genutzt, H+-Ionen aus der Matrix in den Intermembranraum zu transportieren, wodurch ein H+-Konzentrationsgefälle entsteht, welches sich mit dem Membrangradienten zum elektrochemischen Protonengradienten zusammensetzt) ein elektrochemischer Protonengradient notwendig, der durch die Redoxenergie der Atmungskette aufgebaut wird (DOUCE und NEUBURGER, 1989). Nach der chemiosmotischen Theorie nach MITCHELL fasst die ATP-Synthase zwei Reaktionen zusammen: Die Protonentranslokation durch die Membran über den F0-Komplex und die ATP-Synthese, welche vom F1-Komplex katalysiert wird. In Mais setzt sich der F1-Komplex aus 5 Untereinheiten  zusammen (HACK und LEAVER, 1983).
Obwohl Gene wie das atpA, welches die Alpha-Untereinheit der F1 ATPase codiert, bei Tieren und Pilzen kerncodiert sind und importiert werden (BOUTRY et al., 1982), scheint es, daß alle mitochondrialen Genome im wesentlichen dasselbe genetische Repertoire aufweisen (DAWSON et al., 1986b). Das mtGenom höherer Pflanzen erscheint im Vergleich zu dem anderer Organismen mit 218 kbp bis 2500 kbp (NEWTON, 1988; QUETIER et al., 1985) relativ groß, was auf eine jüngere Endosymbiose mit Alpha-Purpurbakterien zurückzuführen sein könnte (GRAY et al. 1989). und variabel. Die Funktion der beträchtlichen nicht codierenden Bereiche ist jedoch noch nicht hinreichend aufgeklärt, um sie bei der Untersuchung von Kern-Cytoplasma-Wechselwirkungen zu vernachlässigen.


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written by A. Lössl
Andreas Lössl
Genomion@gmx.net
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